Schüler aktivieren
Das Problem:
„Meine Schüler sind unglaublich träge. Sie beteiligen sich, wenn überhaupt, nur nach massiver Aufforderung am Unterricht, sie wirken lustlos und desinteressiert. Selbst gut vorbereitete, thematisch und methodisch interessante Stunden lassen sie kalt. Wie schaffe ich es bloß, meine Schüler aufzuwecken, sie spürbar zu motivieren und vor allem zu aktivieren?“
Ursachen der Lustlosigkeit
Das oben dargestellte Problem betrifft sehr viele Schüler in praktisch allen Schulformen, in der Regel spätestens etwa ab der siebten Klasse. Erst in der Studienstufe des Gymnasiums wachen dann einige Schüler wieder auf. Bis dahin hat sich aber in ihren Köpfen ein Bild von Schule, Lernen und Unterricht stark verfestigt. Demzufolge ist schulisches Lernen eine Zwangsveranstaltung, bei der es in der Regel nicht um interessante Themen und Lerninhalte geht, nicht um die Lust, interessante Fragen zu beantworten und wichtige Probleme zu lösen, nicht darum, Neues zu entdecken und zu entschlüsseln, sondern in erster Linie darum, mit möglichst wenig Aufwand ein Maximum an „Punkten“ zu erzielen. Die extreme Organisation von schulischem Lernen auf Klausuren, Prüfungen, abfragbares Wissen befördert diese Haltung.
Ein weiterer Grund für das unterrichtliche Desinteresse vieler Schüler besteht in der hohen Bedeutung der Peergroup in der Altersgruppe spätestens ab 13. Mehr denn je stehen Fragen des Miteinander-Auskommens, des Miteinander-„Gehens“, des Findens der eigenen Identität im Mittelpunkt des Denkens und Fühlens der Jungen und Mädchen. Selbst der beste schülerorientierte Unterricht hat es dann schwer, die Schüler wirklich zu erreichen.
In vielen Klassen ist die Lethargie der Schüler auch das Ergebnis eines Teufelskreises, Produkt gleich mehrerer negativ wirkender „Self-fulfilling prophecies“. Viele Lehrer trauen ihren Schülern immer weniger zu, und fühlen sich durch die Schlappheit und die schlechten Leistungen ihrer Schüler darin bestätigt, verzichten dann unbewusst immer mehr auf wirklich aktivierende Unterrichtsmethoden. Und verstärken damit andererseits das extrem negative Bild und die außerordentlich negative Erwartungshaltung ihrer Schüler im Hinblick auf Schule.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die in der Schule behandelten Themen, die in der Wahrnehmung der Schüler viel zu wenig mit ihnen, ihren Fragen, Interessen und mit der wirklichen Welt zu tun haben (siehe Kapitel „Mehr und besser lernen“).
Problem: Unprofessioneller Frontalunterricht
Das größte Problem hinsichtlich der Gestaltung von Unterricht besteht darin, dass die meisten Lehrer einen Methoden-„Mix“ aus gemeinsamer „Erarbeitung“ (Modell „fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch“) und „Stillarbeit“ (individuelle Bearbeitung von Arbeitsblättern) praktizieren. Ein Modell, das darauf basiert, dass erstens alle Schüler zur gleichen Zeit dasselbe tun und dass zweitens im Unterricht geschwiegen wird und höchstens (außer dem Lehrer) jeweils nur ein Schüler spricht.
Diese Art von Unterricht ist auf Dauer selbst bei interessanten Themen ermüdend und produziert Störungen. Der Lerneffekt ist für die meisten Schüler, die nur zuhören können (häufig euphemistisch als „Mitdenken“ apostrophiert), äußerst gering. Diese Art von Unterricht ist vor allem verantwortlich für das Desinteresse und die Lustlosigkeit so vieler Schüler. Doch viele Lehrer meinen, nur in einem derart „frontal“ gestalteten Unterricht das Heft in der Hand zu behalten und das Unterrichtsgeschehen und vor allem das Lernen der Schüler steuern zu können.
Wie kann man es denn schaffen,
den Unterricht einerseits klar zu steuern und sich zugleich als Lehrer weitestgehend zurückzunehmen und die Schüler spürbar zu aktivieren und ihnen das Wort zu geben?
Partnerarbeit
Die einfachste und vielleicht effizienteste Möglichkeit, Schüler zu aktivieren, besteht darin, sie regelmäßig (und das heißt: mehrmals in jeder Stunde) zur Zusammenarbeit mit einem Nachbarn aufzufordern.
Nachbarn können zum Beispiel
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gemeinsame Unterrichtsgespräche in einem „Murmelgespräch“ zu zweit vorbereiten
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den Inhalt eines Lehrerinfos oder Schülerreferats ebenfalls in einem „Murmelgespräch“ nachbereiten, reflektieren, „sacken“ lassen
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Arbeitsblätter zu zweit bearbeiten
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sich eine Aufgabe oder einen Sachverhalt gegenseitig erklären
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sich individuell erstellte Ergebnisse (z.B. individuell bearbeitete Arbeitsblätter oder selbst verfasste Texte) gegenseitig vorlesen, zeigen und gemeinsam überarbeiten
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Infotexte gemeinsam erlesen und gemeinsam den Inhalt rekapitulieren
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Präsentationen vorbereiten
Die Angst mancher Lehrer, dass Partnerarbeit nicht konstruktiv verläuft, sondern dass die Schüler diese Zeit vor allem für „erlaubte“ Nebengespräche nutzen, ist nur zum Teil berechtigt. Sicherlich wäre es vermessen, die Erwartung zu haben, dass alle Schüler in der Partnerarbeit immer und ausschließlich zur Sache arbeiten würden. Das gilt schließlich genau so für Erwachsene, zum Beispiel Lehrer! Aber noch unrealistischer wäre es, die Erwartung zu haben, dass im klassischen „nur-einer-spricht-Frontalunterricht“ jederzeit alle Schüler vollständig bei der Sache wären. Das gilt natürlich selbst dann nicht, wenn sie ein vermeintlich aufmerksames Gesicht machen…
Regelmäßige Partnerarbeit, bei der zwei nebeneinander sitzende Schüler aktiv zusammen arbeiten, das heißt vor allem, mit einander sprechen, hat eine Reihe von Vorteilen:
Sie funktioniert bei jeder Sitzordnung und in jedem Klassenraum
Sie hat ein sehr hohes Aktivierungspotenzial
Sie fördert und unterstützt effizientes und nachhaltiges Lernen, weil nie so wirksam ist, wenn der Lerner beim Lernen sprechen kann.
Sie ist in der Regel viel effizienter und lernintensiver und obendrein praktikabler als die ebenfalls aktivierende Gruppenarbeit.
Partnerarbeit bietet ganz besonders auch schüchternen Schülern, die sich nicht oder zu selten trauen, sich vor der ganzen Klasse zu äußern eine wunderbare Gelegenheit, ihre sprachlichen Kompetenzen (z.B. im Fremdsprachenunterricht) zu üben und zu pflegen.
Voraussetzungen, damit Partnerarbeit funktioniert..